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WiSe 19/20: Literatur und/als Archiv

Dorit Müller

Kommentar

Die Auseinandersetzung mit archivalischen Objekten und Archivierungsverfahren bildet einen zentralen Gegenstand literarischer Texte seit dem 18. Jahrhunderts. Archive wie Aktenordner, Bildergalerien, naturkundliche und museale Sammlungen oder Bibliotheken dienen nicht nur als Quelle und Arbeitsmittel für die Produktion fiktionaler Texte, sondern sind auch samt der mit ihnen einhergehenden Praktiken des Sammelns, Katalogisierens, Speicherns und Erschließens von Informationen Bestandteil der fiktiven Welt. Nicht selten wird die Handlung durch Chronisten, Sammler, Archivare, oder Aktenverwalter hervorgebracht, gelenkt und vorangetrieben. Im Rahmen von Archivfiktionen werden Bewahrungs- und Erinnerungstechniken thematisiert, das Sammeln und seine Logiken diskutiert, Sinnstiftungsprozesse beobachtet und die Bedingungen des herrschenden Weltwissens hinterfragt. Darüber hinaus können archivarische Verfahren direkt in den Schreibprozess einfließen und den Erzählvorgang etwa durch Selektion, Auflistung und Anordnung von Wissensbeständen als eine archivalische Praxis vorführen. Gestützt auf Archivtheorien werden wir uns im Seminar sowohl mit archivalischen Institutionen und literarischen Praktiken der Prozessierung und Transformation von Daten und Aussagen befassen. Darüber hinaus untersuchen wir die je besonderen Narrative, Reflexionen und Schreibweisen, mit denen Archivfiktionen in Texten von E.T.A. Hoffmann, Adalbert Stifter, Wilhelm Raabe, Franz Kafka und W.G. Sebald umgesetzt werden. Ziel ist es nicht nur, Funktionen der Archivfiktionen in den Texten zu bestimmen, sondern auch ihre Bedeutung für die Etablierung spezifischer Erzählweisen in der Literatur herauszuarbeiten. Schließen