WiSe 20/21: Dekoloniale Kinopraktiken in West- und Zentralafrika
Nikolaus Perneczky
Kommentar
Das Seminar erarbeitet, am Beispiel des west- und zentralafrikanischen Filmschaffens nach dem Ende der Kolonialära (Schwerpunkt 1960er bis 80er Jahre), einen Überblick auf das erweiterte Feld afrikanischer „Kinopraxis“. Die Frage der Dekolonisierung stellt sich in dieser systematischen Perspektive nicht allein auf der Darstellungsebene, sondern auch und vor allem hinsichtlich von Produktionsverhältnissen, Verkehrsformen und Präsentationsweisen. Wir betrachten die Praxis von Filmemacher*innen aus den ehemaligen französischen Kolonien im Spannungsverhältnis zur französischen Entwicklungszusammenarbeit („Coopération“), die das afrikanische Kino dieser Region nicht nur ermöglichte, sondern zugleich in seinen Möglichkeiten einschränkte, wie die Entwicklung eines „einheimischen Filmschaffens“ aus dem institutionellen Zusammenhang ethnologisch-ethnografischer Forschung in Niger zeigt. Vergleichend dazu widmen wir uns den weitgehend autonomen Strukturen, innerhalb derer die Pioniere des afrikanischen Kinos in den ehemaligen britischen Kolonien operierten. Am Beispiel des selbstorganisierten Filmverleihs in Yorubaland (Nigeria, Togo und Benin), der im Austausch mit lokalen Darstellungstraditionen neue Modi der Filmvorführung hervorbrachte, erweisen sich sowohl Prekarität wie Produktivität des nigerianischen Kinos vor „Nollywood“. Weil Afrika südlich der Sahara (mit Ausnahme Südafrikas) keine nationalen Filmindustrien nach dem westlichen Modell ausgebildet hat, erscheint „afrikanisches Kino“ oft im Zeichen eines angeborenen Mangels. In der systematischen Perspektive des Seminars treten demgegenüber die Potenziale einer radikalen Erneuerung hervor, die sich im (fortwährenden) Ringen des afrikanischen Kinos um seine Unabhängigkeit artikulieren: Die dekoloniale Kinopraxis afrikanischer Filmemacher*innen stellt infrage, was wir unter „Kino“ verstehen.
Das Seminar wird im Wechsel von Präsenzeinheiten, Gruppenaufgaben und Schreibübungen durchgeführt. Der historische und geografische Rahmen ist einigermaßen flexibel; die Studierenden werden in der ersten Sitzung Gelegenheit haben, zusätzliche Schwerpunkte einzubringen. Der Zeitaufwand soll nicht den eines Präsenzseminars überschreiten und sich nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Teilnehmer*innen richten.
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