16721

WiSe 20/21: Kultur als Symptom

Bernadette Grubner

Kommentar

Zu Beginn seiner 1915-17 gehaltenen Vorlesungen, in denen Sigmund Freud in die Grundlagen der Psychoanalyse einführte, warnte er seine HörerInnen vor dieser Diszplin: Wer sie zum Beruf mache, habe damit jede Chance auf eine akademische Karriere vertan. Die Aussage hat wohl bis heute ihre Gültigkeit – ebenso wie die Gründe, aus denen laut Freud das psychoanalytische Denken auf eine so vehemente Ablehnung stößt. Insbesondere zwei Postulate würden alle Welt gegen die Psychoanalyse aufbringen: erstens die Behauptung, dass wesentliche Anteile des psychischen Lebens unbewusst sind, und zweitens die Theorie, derzufolge Triebe nicht nur wesentlich an der Entstehung neurotischer Symptome beteiligt sind, sondern auch an der der angesehensten Kulturleistungen. Darüber hinaus, so kann man hinzufügen, spielen Triebregungen bei Freud auch eine tragende Rolle für die Organisation des sozialen Zusammenlebens. Dieser Verknüpfung von Trieb und Kultur, die soziale Verkehrsformen und Institutionen (sowie künstlerische Leistungen) in eine anstößige Nähe zum neurotischen Symptom rückt, soll im Seminar nachgegangen werden. Dafür befassen wir uns mit Freuds später Triebtheorie anhand von Jenseits des Lustprinzips (1920), seiner Kulturtheorie auf Grundlage von Das Unbehagen in der Kultur (1930) sowie der psychoanalytischen Sozial- bzw. Gesellschaftstheorie im Anschluss an Jacques Lacan. Den theoretischen Horizont bilden die DenkerInnen der Ljubljana Schule der Psychoanalyse, die das psychoanalytische Denken mit marxistischen Ansätzen verbinden und für eine Analyse der Gegenwart fruchtbar machen. Zum Ablauf: Wir werden für das Seminar Lesegruppen bilden, die sich selbständig wöchentlich treffen. Alle 3-4 Wochen gibt es eine gemeinsame Webex-Sitzung, bei der Fragen geklärt, Probleme erörtert und Ergebnisse zusammengetragen werden. Die Einteilung der Lesegruppen findet in der ersten Seminarwoche ebenfalls via Webex statt. Wenn sich vor Beginn des Semesters Fragen in Bezug auf Organisation oder Textkorpus des Seminars ergeben, treten Sie gerne in Kontakt mit der Dozentin. Schließen