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WiSe 20/21: Räume der mittelalterlichen Literatur

Tilo Renz

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In den vergangenen Jahren hat sich in den Literaturwissenschaften zunehmend die Auffassung durchgesetzt, dass literarische Texte physikalische Räume nicht lediglich nachbilden, sondern dass sie räumliche Konstellationen originär hervorbringen. Blickt man auf die Literatur des Mittelalters, so wird dieser Eindruck durch vielfältige Beispiele bestätigt, in denen Räume vor den Augen der Figuren entstehen oder plötzlich ihre Gestalt verändern. Ziel des Seminars ist es, die literarischen Verfahren zu beschreiben, mit denen Räume hervorgebracht werden, und auch die Funktionen in den Blick zu nehmen, die ihnen in den einzelnen Texten zukommen. Dazu werden wir uns zu Beginn des Seminars zunächst mit den historisch-zeitgenössischen Begriffen zur Bezeichnung räumlicher Konstellationen befassen und uns anhand kartographischer Darstellungen ein Bild von den geographischen Vorstellungen des Mittelalters machen. Außerdem werden wir uns mit den Instrumenten beschäftigen, welche in den Literatur- und Kulturwissenschaften für die Analyse literarischer Räume entwickelt worden sind. Vor diesem Hintergrund wenden wir uns dann einer Reihe literarischer Fallbeispiele zu, um einen Eindruck von der Unterschiedlichkeit der Gestaltung und auch der Funktionalisierung mittelalterlicher literarischer Räume zu bekommen. Es wird um Räume gehen, die primär theologisch kodiert sind, um Räume des Fremden und des Wunderbaren, die von Wissbegier ebenso Zeugnis ablegen wie von kultureller Mobilität, und nicht zuletzt um Räume der Erinnerung und des mittelalterlichen kulturellen Gedächtnisses. Literatur zur Einführung: Gerok-Reiter, Annette und Franziska Hammer: Spatial Turn/Raumforschung, in: Literatur- und Kulturtheorien in der Germanistischen Mediävistik. Ein Handbuch, hg. v. Christiane Ackermann und Michael Egerding, Berlin und Boston 2015, S. 481–516; Renz, Tilo, Monika Hanauska und Mathias Herweg: Einleitung, in: Literarische Orte in deutschsprachigen Erzählungen des Mittelalters. Ein Handbuch, hg. v. dens., Berlin und Boston 2018, S. 1–11. close