WiSe 21/22: Das Abenteuer im Videospiel
Daniel Illger
Kommentar
„Ein Abenteuer erleben“ – vielleicht ist damit die große Sehnsucht unserer Zeit benannt. Zumindest der westliche Mensch scheint das Bestimmende seiner Freiheit in der Möglichkeit von Abenteuern zu erkennen. Zweifellos ist im Reisen die paradigmatische Praktik des Abenteuers gegeben. Dass sich der Grad des Abenteuerlichen dabei an der Entferntheit und Exotik des Reiseziels bemisst, offenbart zugleich die wohl unauflösliche Verstricktheit der Abenteuer-Phantasie in die sozialen und politischen Konflikte der Gegenwart.
Nun wird in Zeiten der Pandemie vornehmlich digital gereist, und das vor allem in einem Medium, das 2020 gewiss nicht zufällig einen spektakulären Boom erlebte: dem Videospiel. Dieses Medium erlaubt es uns ja, gleichsam leibhaft die wundersamsten Welten zu erkunden und dabei die tollsten Dinge zu erleben. So folgt das Seminar der Annahme, dass die zugespitzten Bedingungen von Lockdown und Quarantäne verdeutlichen, in welchem Maße das Videospiel längst schon zum Ort der Produktion, Perpetuierung und Realisierung der Phantasien rund ums weltreisende Abenteurer-Ich geworden ist.
Um dieser Annahme nachzugehen, wird das Seminar zunächst theoretische Bestimmungen des Konzeptes „Abenteuer“ diskutieren und dabei auch Instrumente zur Kritik der Abenteuer-Ideologie bereitstellen. Im zweiten Schritt wird die Tradition des Hollywood-Abenteuerfilms in den Blick genommen, auf dessen audiovisuelle Rhetoriken einschlägige Videospiele zurückgreifen, so wie das Videospiel in jüngerer Zeit umgekehrt die Entwicklung des Abenteuerfilms beeinflusst hat. Der analytische Teil des Seminars wird sich auf zwei der bekanntesten Videospiel-Reihen konzentrieren, Tomb Raider und Uncharted, in deren Hauptfiguren, Lara Croft und Nathan Drake, paradigmatische Verkörperungen des Abenteuer-Ichs gegeben sind.
Das Ziel des Seminars besteht darin, die Sehnsucht nach dem Abenteuer im Medium Videospiel zu reflektieren und durch die vielfältigen Ambivalenzen dieser Sehnsucht hindurch auch die Verfasstheit unserer abenteurenden Selbstentwürfe in den Blick zu rücken.
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