WiSe 21/22: Berliner Theater der 1920er Jahre. Einführung in die Theaterhistoriographie
Peter Jammerthal
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Die „Zwanzigerjahre“ in Berlin, retrospektiv gern als „golden“ verklärt, waren bestimmt von krassen gesellschaftlichen Um- und Aufbrüchen, von wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen, die sich auch in einer extrem diversifizierten Theaterkultur niederschlugen. Umstritten vor allem ein neuer Anspruch von Theaterleuten, „politisch“ zu wirken und neue ästhetische Konzepte dafür zu finden: Hatte der Naturalismus im späten 19. Jahrhundert die Phänomene der gesellschaftlichen Wirklichkeit lediglich als künstlerischen Gegenstand auf die Bühne gebracht und die Volksbühnenbewegung mit dem Programm, das Bildungsprivileg des Bürgertums zu brechen, zugleich einen bürgerlichen Kunstbegriff fortgeschrieben, so entbrannte nach dem Ersten Weltkrieg insbesondere in Deutschland der Kampf um ein anderes, auf die gesellschaftlichen Verhältnisse einwirkendes Theater. Neben der Entwicklung politisch gedachter neuer Ästhetiken, etwa bei Leopold Jessner, Erwin Piscator oder Bertolt Brecht, trat die Verhandlung tagesaktueller Themen und die Entwicklung neuer Theaterformen, auch der Einbeziehung des Publikums. Daneben tobt das Unterhaltungsbedürfnis, auch in der Adaption internationaler „Moden“ wie dem Jazz (in Musik und Tanz), etwa in den Revue-Operetten von Erik Charell, deren Stil der junge Tonfilm begierig aufgreift. Und selbst die Oper muss erste Angriffe des „Regie-Theaters“ erfahren.
Das Einführungsseminar in die Theaterhistoriografie will das Spektrum dieser Neuansätze des Theaters in der Weimarer Republik nachzeichnen und diskutieren. Anhand ausgewählter Inszenierungen soll dabei auch die wissenschaftliche Recherche nach und der Umgang mit theaterhistorischen Quellen geübt werden.
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