WiSe 21/22: Eine szenische Untersuchung zu performenden Körpern und digitalen Abbildern
Marina Dessau
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Eine szenische Untersuchung zu performenden Körpern und digitalen Abbildern.
Auf der Bühne sind digitale Aufzeichnungs- und Wiedergabegeräte mittlerweile gleichberechtigte Mitspielende, wie auch im Alltag die Handycam eine selbstverständliche Begleitung ist. Und doch verändert sich nach wie vor etwas in unserem Verhalten, sobald eine Kamera läuft. In Bruchteilen von Sekunden entscheiden wir darüber, wie wir (nicht) gesehen werden wollen und setzen unser Selbstbild ins Licht, ruckeln unsere Körper zurecht im Abgleich mit unserer Vorstellung vom möglichen Fremdbild. Unser digitales Selbstbild manifestiert sich in Form von spezifischen körperlichen Beziehungen zur Kamera, wobei die Linse zum Vergrößerungsglas unserer Wunsch- oder Angstvorstellungen wird. Schließlich wandert unsere Aufnahme durchs digitale Kameraauge ins Netz, wo unzählige Augen zeitversetzt bewerten und auf unser Bild reagieren. Ein Reflexionsdesaster, das aus dem kontinuierlichen Austausch und Abgleich zwischen dem körperlichen Realraum und dem digitalen Raum entsteht.
Im szenischen Projekt untersuchen wir körperliche Verhältnisse zu verschiedenen Kamera-Präsenzen im Bühnenzusammenhang. Was genau passiert, wenn performende Körper sich von einer Kamera beobachtet wissen? Wie verhalten sie sich zueinander, wie zur Kamera? Zeichnen sich Kamera-spezifische Verhaltensweisen, wiederkehrende Gesten und Haltungen ab? Was verändert sich, wenn die Kamera zur gleichberechtigten Mitspielerin wird?
Für die Untersuchung dieser Fragen verwenden wir die Improvisationstechnik und Spielweise Viewpoints (nach Bogart/Landau), die häufig in nicht-psychologischen Inszenierungs- oder Arbeitszusammenhängen verwendet wird. Dabei werden Bühnenvorgänge in klar definierte zeitliche und räumliche Elemente unterteilt, wodurch wiederum körperliche Vorgänge messbar und wiederholbar gemacht werden können. Zudem ermöglicht der nicht-psychologische Ansatz der Trainingsmethode es, „aus dem Kopf herauszukommen“ und körperlich spontan und entschieden zu reagieren. Während einer anfänglichen Einführung in die Trainingsmethode Viewpoints erkunden wir in einem fortlaufenden Training durch verschiedene Übungen zuerst alle 4 zeitlichen und 5 räumlichen Viewpoints einzeln. Anschließend wenden wir sie frei an und kombinieren die Viewpoints in Improvisations-Einheiten miteinander, wobei wir auch das Spielweisen- und Inszenierungspotential der Methode kennenlernen. Schließlich arbeiten wir mit szenisch integrierten, fixierten, sowie beweglichen Kameras, um konkret und auf der Bühne das körperliche Verhältnis zu den digitalen “Augen der Anderen” zu befragen.
Marina Dessau studierte Schauspiel am Mozarteum Salzburg. Seit 2005 arbeitet sie an der Entwicklung und Realisierung von Performancetheaterformaten, meist mit dem Label internil. Sie beobachtet stark oszillierendes Verhalten von Menschen im Netz, sucht nach Übersetzungen fürs Theater und beschäftigt sich mit Hochtechnologie für den performativen Körper. marinadessau.com
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