WiSe 22/23: Horrorvideos. Material, Diskurs, Praxis
Tobias Haupts
Kommentar
Zu den Ängsten der Bundesrepublik vor der Atomenergie, dem Ausbrechen eines neuen Krieges wie den Folgen der Umweltverschmutzung fügte sich Anfang der 1980er-Jahre eine weitere Angst hinzu: die Angst vor dem Horrorvideo. Die Flut an Videotheken, die es den Nutzern erlaubten, den Film ihrer Wahl mit nach Hause zu nehmen und sich dort einer Kontrolle zu entziehen, koppelte sich mit einem devianten Filmprogramm, das neben der Aufmerksamkeit der Presse auch den politischen Diskurs bestimmen sollte. Der Kurs möchte gemeinsam diese Entwicklung nachzeichnen. Nach einem einführenden Teil, der von der Kassette, dem Recorder, der Videothek und den damit verbundenen Praktiken handeln soll, werden in einem zweiten Schritt die Aushandlungsprozesse von Politik, Markt und Nutzern im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Die Berichterstattung der Presse wie auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Maßnahmen der FSK sollen hierbei ebenso betrachtet werden, wie das Material selbst: die Horrorfilme, an denen sich in den 1980er-Jahren die Diskussion entzündete. Und letztlich soll es auch um die Frage gehen, wie das Fandom versuchte zwischen dem Gespenst einer Zensur und dem Schneiden der Filme durch die Industrie eine Form der Selbstorganisation zu übernehmen, die sich im Filmzeitschriftenmarkt der frühen 1990er-Jahre niederschlagen sollte.
Zur Einführung sei hier verwiesen auf: Jürgen Kniep, „Keine Jugendfreigabe!“ Filmzensur in Westdeutschland 1949–1990, Göttingen 2010; Kay Hoffmann, Art. Videothek. In: Hans-Otto Hügel (Hrsg.), Handbuch Populäre Kultur. Begriffe, Theorien und Diskussionen, Stuttgart/ Weimar 2003, S. 488-490; Siegfried Zielinski, Audiovisuelle Zeitmaschine. Thesen zur Kulturtechnik des Videorecorders. In: ders. (Hrsg.), Video – Apparat / Medium, Kunst, Kultur. Ein internationaler Reader, Frankfurt am Main/Bern/New York/Paris 1992, S. 91–114.
Schließen31 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung