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SoSe 17: Soziale Theatralität. Die theatrale Konstitution der Gesellschaft

Matthias Warstat

Kommentar

Die Vorlesung fragt danach, wie sich Gesellschaft zeigt. Sie geht von der Annahme aus, dass die sinnliche Erfahrung von Gesellschaft häufig (nicht immer) an Theatralität gebunden ist. Es ist kein abstraktes Wissen, sondern es sind konkrete Bilder, Geschichten und Szenen, die uns das Gefühl vermitteln, in einer Gesellschaft zu leben. Was für eine Art von Theater wird im sozialen Leben gespielt? Welches sind die Szenen, in denen Gesellschaft aufscheint? Ist gesellschaftlicher Wandel mit einer Veränderung in den theatralen Konstellationen einer Gesellschaft verbunden? Die Beschäftigung mit der theatralen Konstitution von Gesellschaft muss berücksichtigen, dass der Gesellschaftsbegriff heute jede Selbstverständlichkeit verloren hat. In theoretischen Diskursen begegnet er nur noch in Anführungszeichen oder mit erheblichen Relativierungen. Einige Sozialtheoretiker bestreiten, dass es so etwas wie Gesellschaft überhaupt gibt. Aus theaterwissenschaftlicher Sicht stellt sich dennoch weiterhin die Frage, wie Theater und Theatralität an gesellschaftlichen Prozessen mitwirken. Theatralität begegnet uns heute nicht in erster Linie als schöne Kunst, die Erfahrungen von Freiheit und Gleichheit eröffnen würde, sondern als ein disziplinierendes Dispositiv, das uns immer wieder neue Selbstentwürfe und Darstellungsstrategien abverlangt. Gleichwohl ist es wichtig, die Fragerichtung auch umzukehren: Wie tragen die Einzelnen durch ihr theatrales Handeln zur Darstellung von Gesellschaft bei – und was für eine Gesellschaft entsteht auf diese Weise? Diese Frage soll an Positionen aus der Sozialtheorie der Moderne und der Gegenwart gerichtet werden. Damit verbindet sich die Hypothese, dass in kanonischen Texten der modernen Sozialtheorie, beginnend mit Marx, Tarde, Simmel und Plessner, theatrale Denkfiguren überdeutlich präsent sind. Die Vorlesung verfolgt diese Linie bis zu prägenden Positionen der letzten Jahrzehnte wie Giddens, Laclau und Latour. Ein Begriff sozialer Theatralität muss sich auf drei verschiedenen Ebenen bewähren: Er muss erstens eine bestimmte Sorte von Operationen bezeichnen, zweitens spezifische Haltungen charakterisieren und drittens einen bestimmten Modus von Ereignissen markieren. Auf allen diesen Ebenen geht es darum, wie in Kontexten, in den sich tradierte Identitätskategorien wie Klasse, Geschlecht oder Nation nicht mehr umstandslos fortschreiben lassen, gleichwohl Referenzen auf das Ganze einer Gesellschaft möglich sind. Schließen