16455 Hauptseminar

SoSe 17: Ästhetik des Erhabenen

David Wachter

Kommentar

Die ästhetische Kategorie des Erhabenen umfasst Erfahrungen der Größe, Macht oder Gewalt, die das Wahrnehmungssubjekt überwältigen und zugleich faszinieren. Sie bildet den Gegenpol zur Ästhetik des Schönen und erhält im 18. Jahrhundert ein literarisches sowie philosophisches Profil. Als „erhaben“ gelten komplexe Verbindungen aus Lust und Unlust, Angst und Vergnügen, Schrecken und Bewunderung etc. Sie entzünden sich an Phänomenen der Natur oder der Kunst und reichen vom Schrecklichen, Häßlichen oder Ekelhaften bis hin zum Göttlichen. Indem sie Vernunft und Einbildungskraft an die Grenzen des Darstellbaren führen, konfrontieren erhabene Phänomene den Betrachter/Leser mit der Möglichkeit eines Selbstverlusts, der in eine paradoxe Selbstbestätigung umgebogen wird. Im Seminar erkunden wir philosophische, rhetorische und poetologische Theorien zur Ästhetik des Erhabenen – von (Pseudo-)Longinus‘ Traktat aus dem 1. Jh. n. Chr., mit dessen Wiederentdeckung durch Boileau die Konjunktur des Konzepts seit etwa 1700 einsetzt, über Burkes sensualistische Ästhetik des Schreckens bis hin zu Kants und Schillers idealistischer Wende. Außerdem wenden wir uns in einem Ausblick der Aktualität des Erhabenen im 20. Jahrhundert (v.a. bei Adorno und Lyotard) zu. Diesen theoretischen Diskurs konfrontieren wir mit literarischen Texten aus dem Zeitraum 1720-1810, in denen die konzeptionelle wie stilistische Vielfalt von Erhabenheitstopoi zum Ausdruck kommt. Wo berühren sich Theorie und Literatur des Erhabenen? Welche Tropen und Denkfiguren sind ihnen gemeinsam? Welche Wechselbezüge weisen sie auf, welche Unterschiede oder Spannungen treten zwischen ihnen zutage? Diese und andere Fragen diskutieren wir mit Blick auf Texte u.a. von Brockes (Das Firmament), Hölderlin (Heimkunft), Schiller (Maria Stuart) und Kleist (Penthesilea). Schließen

Literaturhinweise

Timothy M. Costelloe (Hrsg.): The Sublime: From Antiquity to the Present, Cambridge 2012; Jörg Heininger: Erhaben, in: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Bd. 2, hrsg. v. Karlheinz Barck u.a., Stuttgart/Weimar 2000, S. 275-310; Christine Pries (Hrsg.): Das Erhabene. Zwischen Grenzerfahrung und Größenwahn, Weinheim 1989; Dietmar Till: Das doppelte Erhabene. Eine Argumentationsfigur von der Antike bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Tübingen 2006; Carsten Zelle: Die doppelte Ästhetik der Moderne. Revisionen des Schönen von Boileau bis Nietzsche, Stuttgart 1995. Schließen

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