16053 Seminar

SoSe 21: Philosophie in Übersetzung: Daoismus

Hans-Detlef Feger

Kommentar

Das Seminar Philosophie in Übersetzung: Daoismus werde ich zusammen mit der Literaturwissenschaftlerin Nathalie Chamat veranstalten. - Das Buch Zhuangzi, einer der kanonischen Texte des chinesischen Daoismus, findet sich in neueren Interpretationen wiederholt in Nachbarschaft zu Martin Heidegger und Jacques Derrida gebracht. Es ist ein schillernder und zugleich sperriger Text, der jeder klärenden Analyse wie auch abschließenden Kategorisierung immer wieder entgleitet, unabhängig davon, ob man ihn als literarisches oder philosophisches Werk, in daoistischer oder buddhistischer Auslegetradition, auf Chinesisch oder in Übersetzung rezipiert. Davon zeugen nicht zuletzt die zahlreichen Teilübersetzungen: Entweder beschränken sie sich mit einer philologisch pragmatischen Tendenz auf die inneren Kapitel, über deren traditionelle Zusammengehörigkeit in der Forschung relative Einigkeit besteht, oder sie präsentieren explizit subjektive „Streifzüge” durch die formale Vielfalt, den narrativen Einfallsreichtum und die gedanklichen Subtilitäten eines Textkorpus, der seine eigene frühe Rezeptionsgeschichte so in sich aufgenommen hat, dass keine dieser Lektüren und Übersetzungen sich dem Sog eines paradoxen Mit- und Fortschreibens zu entziehen vermag. Zahllose Autoren loben das Zhuangzi als herausragendes Werk der Weltliteratur, Henrik Jäger spricht vom Dichterphilosophen, der eine Philosophie der Unschärfe betreibe; Kubin dagegen besteht auf einem strikt philosophischen Verständnis des Zhuangzi, das Poetisches höchstens in Abkunft von religiösen Ritualen in sich aufgenommen habe. Was aber bedeutet es, etwas als Literatur oder wenxue zu bezeichnen? Im Seminar werden wir uns dieser Frage mithilfe zweier klassischer Texte der chinesischen Poetik annähern, um dann im Zhuangzi an ästhetischen Schlüsselphänomenen wie Licht und Dunkelheit, Rhythmus, Selbstver¬gessenheit und Musik und in Gegenlektüren aktueller theoretischer Positionen der philosophischen Ästhetik (Menke, Heller, Frank, Tengelyi) zu erörtern, ob und wie darin ein literarisch-philosophischer Doppelcharakter der Texte zum Ausdruck kommt und welche Herausforderungen sich für die Übersetzung und Interpretation stellen. Chinesischkenntnisse sind nicht erforderlich, das relevante Vokabular wird erarbeitet. Schließen

Literaturhinweise

Das Buch Zhuangzi — Die inneren Kapitel. Übersetzt und kommentiert von Oliver Aumann. Freiburg, München: Karl Alber 2018. Zhuangzi: Mit den passenden Schuhen vergisst man die Füße. Ein Lesebuch. Aus dem Klassischen Chinesisch übertragen und herausgegeben von Henrik Jäger. Erweiterte Neuauflage. Berlin: Matthes & Seitz 2018. Zhuang Zi. Vom Nichtwissen. Ausgewählt, kommentiert und übersetzt von Wolfgang Kubin. Reihe Klassiker des chinesischen Denkens. Bd. 4. 2. Aufl. Freiburg im Breisgau: Herder 2013, 2019. Günter Wohlfart, Zhuangzi (Dschuang Dsi). Meister der Spiritualität. Freiburg im Breisgau: Herder 2001. Dschuang Dsi. Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm. Jena: Eugen Diederichs 1920. Zhuangzi. Das Buch der daoistischen Weisheit. Gesamttext. Aus dem Chinesischen von Viktor Kalinke. Stuttgart: Reclam 2019. Hans Georg Moeller, Paul J. D’Ambrosio, Genuine Pretending. On the Philosophy of the Zhuangzi. New York, Chichester: Columbia University Press 2017. LONGXI Zhang, From Comparison to World Literature. Albany: SUNY Press 2015. LU Chi, Wen Fu (“The Art Of Writing“) translated and with an introduction by Sam Hamill, in: The American Poetry Review, Vol. 15, No. 3, 1986, S. 23-27. LU Hsieh, The Literary Mind and the The Carving of Dragons. Hg. und übersetzt von Vincent Yu-chung Shih. Hongkong: The University of Hong Kong Press 2015. Stephen Owen, Readings in Chinese Literary Thought. Cambridge, Mass., London: Harvard University Press 1992. Karl-Heinz Pohl, Ästhetik und Literaturtheorie in China. Von der Tradition bis zur Moderne. Reihe Geschichte der chinesischen Literatur. Hg. von Wolfgang Kubin. Bd. 5. München: K.G. Saur 2007. Schließen

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