13444 Hauptseminar

SoSe 21: Koloniales Wissen. ‚Niederländisch-Brasilien‘ in Kunst und visueller Kultur (17.-21. Jhdt.)

Karin Gludovatz

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Kommentar

1621 erhielt die West-Indische Compagnie (WIC) durch die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande das Handelsmonopol für Westafrika und Amerika verliehen. Auf der Basis dieses Privilegs erfolgte ab 1624 die Gründung von Niederlassungen in Nordamerika (Nieuw Nederland). Mitte der 1620er Jahre richteten sich die Expansionsbestrebungen der WIC überdies auf die südliche Hälfte des Kontinents, genauer auf das von den Portugiesen kolonisierte Gebiet des heutigen Brasiliens. Für nur wenige Jahre und im Schatten beständiger Konflikte (Niederländisch-Portugiesischer Krieg) eigneten sich die Niederlande ein Gebiet im Nordosten des Landes an, wobei der größte Erfolg in der Eroberung der Provinz Pernambuco lag (1630). Der General Johan Maurits van Nassau-Siegen (1636-1643) gerierte sich in der Kolonie als Förderer der Künste und Wissenschaften und versammelte niederländische Künstler und Gelehrte um sich, um die Beschaffenheit des Landes, seine Fauna und Flora bzw. die Kultur der Bevölkerung zu erforschen und zu dokumentieren. So standen etwa die Maler Albert Eckhout und Frans Post, dessen Bruder der Architekt Pieter Post, der Arzt Willem Piso oder der Naturkundler Georg Markgraf in den Diensten des Gouverneurs. Die beiden Letzteren verfassten die in Umfang und Anspruch in ihrer Zeit einmalige Historia Naturalis Brasiliae, die 1648 in Amsterdam gedruckt wurde und eine ausführliche Studie zur Landes- und Naturgeschichte darstellt. Markgraf fertige zudem Karten an, die Caspar Barlaeus in sein Werk Rerum per octenium in Brasilia et alibi nuper gestarum, sub Praefectura Illustrissimi Comitis I. Mavritii Nassoviae aufnahm, einer 1647 veröffentlichten Darstellung der niederländischen Kolonialherrschaft in Brasilien. Frans Post konzentrierte sich auf Schilderungen der Landschaft, Eckhout fertigte Studien der Bevölkerung und Stillleben mit Früchten des Landes und Pieter Post entwarf die Anlage von Mauritsstad. Die Künstler und Forscher im Gefolge von Johan Maurits generierten und sammelten in diesen Jahren ein enormes Wissen über das Land und seine Bevölkerung – einerseits aus der Nähe von Ortsansässigen und andererseits aus der Distanz von Angehörigen der Kolonialmacht. Damit trugen sie maßgeblich zu einer Resemantisierung des Landes bei, die in Europa bis im 1800 Bestand haben sollte. Zugleich dienten sie den Interessen einer Politik, die nicht zuletzt durch die Beteiligung am Sklavenhandel, die Misshandlung von Menschen und die Ausbeutung von Ressourcen die Niederlande als Kolonialmacht etablierte und damit zu deren Reichtum beitrug. Das Seminar widmet sich der angesprochenen Wissensproduktion, v.a. in ihren vielfältigen visualisierten Formen und diskutiert sie in Hinblick auf den historischen Kontext wie vor dem Hintergrund aktueller postkolonialer Theorien. So gilt es, sich mit den veränderten Wahrnehmungsbedingungen im Zuge von Mobilität, mit der Konstruktion von Identität und Alterität im Prozess der Kolonialisierung, mit den Relationen von Kolonialpolitik und künstlerischer Produktion oder auch mit Modi der Aneignung und Hybridisierung zu befassen. Schließen

Literaturhinweise

Literatur (Auswahl): Caspar Barlaeus, Brasilianische Geschichte. Bey achtjähriger in selbigen Landen geführeter Regierung Seiner Fürstlichen Gnaden Herrn Johann Moritz Fürsten zu Nassau, erstlich in Latein durch Casparem Barlaeum beschrieben [lat. 1647], Kleve 1659; Charles R. Boxer, The Dutch in Brasil 1624-1654, Oxford 1957; Ernst van den Boogaart (Hg.), Johan Maurits van Nassau-Siegen 1604-1679. A humanist prince in Europe and Brazil, Den Haag 1979; Soweit der Erdkreis reicht. Johann Moritz von Nassau-Siegen 1604-1679, Kat.-Ausst. Kleve 1979, Kleve 1979; Peter J. Whitehead, Martin Boeseman, A portrait of Dutch 17th century Brazil. Animals, plants and people by the Artists of Johan Maurits of Nassau, Amsterdam 1989; Brasilien. Entdeckung und Selbstentdeckung, hrsg. v. Guido Magnaguagno, Kat.-Ausst. Zürich 1992, Bern 1992; Rachel Doggett (Hg.), New world of wonders. European images of the Americas 1492-1700, Washington 1992; Piet C. Emmer, The Dutch and the Atlantic Economy, 1580-1880. Trade, slavery and emancipation, Aldershot 1998; Stephen Greenblatt, Wunderbare Besitztümer. Die Erfindung des Fremden. Reisende und Entdecker, Berlin 1998; Friedrich Edelmayer (Hg.), Die Neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche, Wien 2001; Kerstin Gernig (Hg.), Fremde Körper. Zur Konstruktion des Anderen in europäischen Diskursen, Berlin 2001; Elly de Vries (Hg.), Albert Eckhout returns to Brazil 1644-2002, Sao Paulo-Kopenhagen 2002; Susanna Burghartz (Hg.), Berichten, Erzählen, Beherrschen. Wahrnehmung und Repräsentation in der frühen Kolonialgeschichte Europas (= Zeitsprünge, Bd. 7, Heft 2/3), Frankfurt/Main 2003; Hugo Grotius, The Free Sea [Mare Liberum, 1609], hrsg. v. David Armitage, Indianapolis 2004; Elke Bujok, Neue Welten in europäischen Sammlungen. Africana und Americana in Kunstkammern bis 1670, Berlin 2004; Aufbruch in Neue Welten. Johann Moritz von Nassau-Siegen, der Brasilianer (1604-1679), hrsg. v. Gerhard Brunn, Kat.-Ausst. Siegen, Siegen 2004; Ethnizität und Geschlecht. (Post-)Koloniale Verhandlungen in Geschichte, Kunst und Medien, Köln 2005; Gerhard Brunn, Cornelius Neutsch (Hg.), Sein Feld war die Welt. Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604-1679). Von Siegen über die Niederlande und Brasilien nach Brandenburg, Münster 2008; Denise Daum, Albert Eckhouts „gemalte Kolonie“. Bild- und Wissensproduktion über Niederländisch-Brasilien um 1640, Marburg 2009; Viktoria Schmidt-Linsenhoff, Ästhetik der Differenz. Postkoloniale Perspektiven vom 16. bis 21. Jahrhundert, Marburg 2010. Schließen

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