16324 Lektürekurs

SoSe 22: Lady Anne Conway: Cartesianismus und Mystik

Bernd Roling

Kommentar

Weibliche Stimmen in der Philosophie der frühen Neuzeit scheinen auf den ersten Blick rar zu sein. Eine große Ausnahme bildet Anne Conway, die Viscountess of Conway (1631–79), die wohl bekannteste englische Philosophin des 17. Jahrhunderts. Lady Conway war eine Studentin des Platonikers Henry More, der sie zu seiner Meisterschülerin erklärte; für beide war die Philosophie Descartes erster Gegenstand ihrer Auseinandersetzung. Conway sollte sich deutlich vom cartesianischen Dualismus, den sie für materialistisch hielt, distanzieren und ihm einen Monismus in Gestalt einer belebten, sich dem Geist graduell annähernden Materie gegenüberstellen. Ihr System, das ausdrücklich auf den aktuellen Stand der Naturwissenschaften zurückgreifen sollte, formulierte Lady Conway 1677 in ihren ‚Principles of the Most Ancient and Modern Philosophy’, das erst 1692 erscheinen konnte. Neben kabbalistischen Motiven, die Gott in ein dynamisches Verhältnis zur Welt stellen konnten und dem Menschen eine Selbsterlösung ermöglichten, war es hier vor allem ihr Modell einer vitalen Materie, das im Zentrum stand. Seine Erfüllung sollte der Mensch nicht in einer rationalen Gotteserkenntnis erhalten, sondern in einem mystischen Enthusiasmus. Lady Conway selbst schloß sich – sehr zum Mißfallen ihrer Protektoren – den Quäkern an, einer radikal-egalitären, auf ekstatische Entgrenzung setzenden Bewegung, die zu den entscheidenden Vorkämpfern der Sklavenbefreiung werden sollte. Conways eigenwillige ‚Principles‘ sollen im Seminar gelesen und interpretiert werden. Begleitend werden andere Autoren, Henry More und vielleicht auch Leibniz, der Conway gründlich studiert hatte, herangezogen. Alle Texte werden auf dem Blackboard zur Verfügung gestellt. Literatur: Lady Anne Conway, The Principles of the Most Ancient and Modern Philosophy, hg. von Allison P. Coudert – Taylor Course, Cambridge 1996, Lady Anne Conway, Conway Letters: The Correspondence of Anne, Viscountess of Conway, Henry More and their friends, hg. von Marjorie Nicolson – Sarah Hutton, Oxford 1992, Sarah Hutton, Anne Conway. A Woman Philosopher, Cambridge 2004, Jonathan Head, The Philosophy of Anne Conway, London 2020. Schließen

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