SoSe 22: Visuelle Lektüren
Stephan Karschay
Zusätzl. Angaben / Voraussetzungen
Regelmäßige und aktive Teilnahme, Lektüre aller im Seminar diskutierten Texte, seminarbegleitende Studienleistungen (wie z.B. response paper, Gruppenpräsentation, Expertengruppe), abschließende Seminararbeit. Die Seminarsprache ist Deutsch; die englischen Primärtexte werden im Original gelesen.
SchließenKommentar
Im Blickpunkt dieses Seminars steht das Verhältnis von Literatur und Visualität, welches sich – seit der von W.J.T. Mitchell 1994 in Picture Theory ausgemachten ikonischen Wende in den Kulturwissenschaften (iconic oder pictorial turn) – besonders vielschichtig darstellt. Literatur erzeugt mit den Mitteln der Sprache Bilder, wobei Leser bei der Lektüre graphischer Zeichen Welten imaginieren (imago, lat. ‚Bild‘, ‚Abbild‘) und diese in kognitiven Prozessen bildlich ausgestalten. Als dominant textuell-diskursives Medium nimmt die Literatur gegenüber dem Feld der visuellen Kultur einen ganz eigenen Platz ein und ist selbst – von Fall zu Fall spezifisch – über komplexe Konfigurationen von Visualität strukturiert. Literarische Texte gehen mit Bildern zuweilen intermediale Beziehungen ein, wobei mediale Konvergenzen genauso augenscheinlich werden können wie die Unterschiede zwischen den Medien ‚Bild‘ und ‚Schrift‘. Darüber hinaus haben (real existierende wie fiktive) Werke der bildenden Kunst (engl. visual arts) über detaillierte ekphrastische Be- und Umschreibungen in Lyrik und Erzählliteratur Eingang gefunden. Narrative Texte strukturieren Wahrnehmungsprozesse über Fokalisierungen (schon Gérard Genette fragte: Qui voit?, Wer sieht?) und binden ihre Figuren auf der Ebene der dargestellten Welt in ein Netzwerk von Perspektiven und Blicken ein, die es differenziert – z.B. hinsichtlich Dauer (flüchtig, eindringlich, sondierend, überwachend) und Skalierung (teleskopisch, mikroskopisch, panoramisch) – zu analysieren gilt. Nicht zuletzt thematisieren literarische Texte auch das Unsichtbare als implizite Kehrseite des Visuellen und nehmen somit eine diskursive Verschränkung von Sichtbarem und Sagbarem in den Blick. Dieses Seminar wird sich unter Rückgriff auf ausgewählte Texte der anglophonen Literatur den vielfältigen Spielarten der literarischen Visualität widmen. Eine genaue Übersicht der zu diskutierenden Beispiele sowie der berücksichtigten theoretischen Literatur wird in der ersten Sitzung vorgestellt, wobei Texte von William Wordsworth, Percy Bysshe Shelley, John Keats, Robert Browning, Alfred Tennyson, George Eliot, Oscar Wilde, Henry James, Virginia Woolf, James Joyce, W. H. Auden, A. S. Byatt, Ali Smith, Patience Agbabi u.v.m. als Untersuchungsgegenstände dienen können.
SchließenLiteraturhinweise
Zur Anschaffung (in exakt dieser Ausgabe): Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray [1891], hg. v. Robert Mighall (London: Penguin, 2003). [ISBN: 978-0141439570]
Zur Einführung geeignet: Claudia Benthien & Brigitte Weingart (2014), „Einleitung“, in C.B. & B.W., Hgg., Handbuch Literatur & Visuelle Kultur (Berlin: de Gruyter), 1-28. Gustav Frank (2009), „Literaturtheorie und Visuelle Kultur“, in Klaus Sachs-Hombach, Hg., Bildtheorien: Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn (Frankfurt am Main: Suhrkamp), 354-392.
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Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung