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Practice seminar
WiSe 12/13: Historizität des Theaters - Theaterhistoriographie. Annäherungen an eine Kulturgeschichte des Theaters (weltweit)
Hans-Joachim Fiebach
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Walter Benjamin: Die Geschichte sei "Gegenstand einer Konstruktion […] Auf den Begriff der Gegenwart, die nicht Übergang ist, sondern in der die Zeit einsteht und zum Stillstand gekommen ist, kann der historische Materialist nicht verzichten. Denn dieser Begriff definiert eben die Gegenwart, in der er für seine Person Geschichte schreibt." Die historische Studie sei, so Michel de Certeau, das "Produkt eines Ortes". Kontexte, in denen man schreibt, bestimmen das Schreiben; sie umreißen die Felder, führen zu den Spuren, in denen eine Archäologie sucht. Es ist ein Schreiben als "Produktion von Geschichte", nicht nur ein beschränkt individueller Akt, eher in erster Linie eine "kollektive Fabrikation" vergangener Realitäten. Certeau setzt Realität in Anführungszeichen. Geschichte(Schreiben) sei eine Praxis und ein Diskurs. Während die Diskurse von Geschichte sprechen, sind sie bereits in Geschichte situiert.
U. a. mit Bezug auf Ph. B. Zarilli u. a. : Theatre Histories. An Introduction. New York/London 2006, den interessantesten jüngeren Ansatz einer Historiographie des Theaters "seit seinen Anfängen", überlegt das Seminar über eine und versucht sich an Teilausarbeitungen zu einer Kulturgeschichte des Theaters "weltweit". Ansatzpunkte sind - zufällig herausgegriffen - Aussagen/Phänomene wie:
The actor Sakata Tojuro ( 1647--1709) expressed the opinion that 'a Kabuki actor should present reality on the stage'. A Primer of the Kabuki (1762) (by Tamenaga lcha) demanded: 'Imitating things' as 'imitating truly and realistically the behavior of young and old, male and female, aristocrat and poor, priests and laymen.' When Japanese actors and theatre critics spoke of 'realism' and 'imitating things,' they were not referring to the realism of the "representational" illusionist type of western theatre. The attitude of the Kabuki toward realism in general was summed up by a (the late) Kabuki actor, (Nakamura Kichiemon), who, when asked why women were not used on the Kabuki stage, looked at the questioner incredulously and replied, 'But that would be too real!' (Ernst, Earle: The Kabuki Theatre. New York 1956, S. 19-23)
Wie stark herrschaftliche Kontrollinteressen die Disziplinierung des europäischen Theaters seit dem 16. Jahrhundert befördert haben, findet sich in Hédélin d'Aubignacs Verurteilung des Aristophanes. Dessen Komödien seien ein besonders negatives Beispiel, dass man die Darstellung (représentation) nicht mit der "Wahrheit der theatralen Aktion" (verité de l'Action Theatrale) vermischen und die Illusion (Wahrscheinlichkeit) der Authentizität der dramatischen Handlung durch Publikumsadressen stören darf: Mit ihren direkten Anspielungen auf politische und kulturelle Tagesereignisse in Attika hätten sie sich nicht nur frech und unerlaubt gegen Bürger, sondern sogar "gegen die Amtsträger (Magistrats) und gegen die erlauchtesten Persönlichkeiten (Personnes les plus illustres)" gewandt. Gegen die diffamierenden Angriffe, gegen die "gefährlichen Wirkungen", um diese Lizenz der Poeten zu unterdrücken, hätten auch die Behörden (Magistrats) die vernünftige und geregelte Poesie gefördert. (L'Abbé d'Aubignac: La Prâtique du Théâtre)
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