WiSe 22/23: Kollektives Schreiben im Kontext zeitgenössischer feministischer Performance-Kunst
Lea-Sophie Schiel
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Schreiben wird oft als ein Akt der Vereinzelung verstanden und als Ausdruck intimer Introspektion erlebt. Autor*innenschaft an ein Individuum zu knüpfen ist bis heute eine gängige Praxis. In der Geschichte des westlichen Feminismus galt Schreiben als Strategie der Emanzipation des weiblichen* schreibenden Subjekts. Bereits Virginia Woolf forderte in ihrem gleichnamigen Essay „Ein Zimmer für sich allein“ (engl. A Room of One‘s Own) zur Emanzipation und Persönlichkeitsentwicklung weiblicher Autor*innenschaft. Demgegenüber steht ein kritisches Verständnis von individueller Autor*innenschaft als Fortführung eines patriarchal und kompetitiv geprägten Genie-Kultes. Umso stärker wird innerhalb des zeitgenössischen feministischen Diskurses die Notwendigkeit betont, kollektiv und gemeinschaftlich zu agieren. In der sogenannten freien Theaterszene im deutschsprachigen Raum sind kollektive Arbeitsweisen seit den 1990er Jahren omnipräsent. Unabhängig von Arbeitswirklichkeiten und Arbeitsteilungen wird hier von den Akteur*innen sehr viel Wert auf eine Außendarstellung gelegt, die den kollektiven Charakter des künstlerischen Schaffens unterstreicht. Überraschend häufig bestehen diese Zusammenschlüsse aus vorrangig weiblichen* Künstler*innen und bezeichnen sich als feministisch. Häufig werden aber für die Bühne produzierte Texte vom kollektiven Schaffensprozess ausgenommen. Dass Texte, die auf der Bühne gesprochen werden, ihre Autor*innenschaft verlieren, bleibt eine Ausnahme. Aber wie entstehen Texte ‚im Kollektiv‘? Und wie wirken sich kollektiv verfasste Texte auf das Kollektiv aus? In welchem Zusammenhang stehen kollektives Schreiben und die Konstitution von Gemeinschaft und Kollektivität? In welchem Verhältnis stehen Kollektivität und feministische Selbstverständnisse? Welche besondere Ästhetik zeichnet diese zeitgenössischen Bühnentexte aus?
Im Seminar widmen wir uns in den vier Themenblöcken Schreiben und Feminismus, Kollektivität, Schreiben und Performance sowie einer abschließenden Übung zum kollektiven Schreiben der Bearbeitung dieser Fragen.
Wichtig! Um zusätzliche Anmeldung unter leasophie.schiel@gmail.com mit dem Betreff: WS 2022/23 Seminar FU wird gebeten, da bereits zur ersten Sitzung Texte vorbereitet werden sollen.
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