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Proseminar
WiSe 22/23: Der Euro und wirtschaftliches Wachstum in Europa: Finanzielle Solidarität nach Eurokrise und Corona?
Andreas Hofmann
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Am 21. Juli 2020 einigte sich der Europäische Rat nach rekordverdächtig langen Verhandlungen auf die Einrichtung eines mit 800 Milliarden Euro bestückten Wiederaufbaufonds mit dem Namen “Next Generation EU”, der nach Überwindung der Corona-Krise die wirtschaftliche Erholung in der EU ermöglichen soll. Das Projekt wäre fast gescheitert, die Nerven lagen blank – in einem emotionalen Ausbruch hatte der portugiesische Regierungschef Antonio Costa die zurückhaltende Position der niederländischen Regierung “ekelhaft”, “kleinlich” und “eine wirklich Gefahr für die Zukunft der EU“ genannt. Am Ende stand aber das bislang größte gemeinsame finanzielle Projekt der EU. Nach der russischen Invasion der Ukraine sollen die Mittel zudem dazu aufgewandt werden, die Abkehr vom Import fossiler Brennstoffe aus Russland und die dazu notwendigen energie- und klimapolitischen Anpassungen zu finanzieren. NextGenerationEU wird mehr und mehr zur Blaupause für europäische Konfliktlösung. Der Umfang der Maßnahmen, die Regelungen für die Verteilung der Mittel und der vehemente Konflikt zwischen den Mitgliedstaaten ist aber nicht zu verstehen ohne die vorherige Erfahrung der Eurokrise und der Bemühungen der EU, eine gemeinsame Lösung für die damals drohende Zahlungsunfähigkeit einiger Mitgliedstaaten der Eurozone zu finden. Die Konfliktlinien von damals, wie auch die gefundenen Lösungen, spiegeln sich in der jüngsten Auseinandersetzung wieder. Selbst wenn die akute Phase der Eurokrise schon eine ganze Weile zurück zu liegen scheint, sind zentrale Probleme der Währungsunion noch nicht gelöst. Gerade in südeuropäischen Ländern wie Italien und Spanien, die sowohl von der Eurokrise als auch von der ersten Corona-Welle besonders betroffen waren, ist Arbeitslosigkeit nach wie vor hoch und Einkommen unter dem Niveau der Vorkrise. Wie können diese Staaten unter den Bedingungen der Eurozone wirtschaftliches Wachstum generieren? Wie viel Transfer zwischen Eurostaaten ist notwendig, und unter welchen Konditionen? Sollen Schulden einzelner Staaten “vergemeinschaftet” werden? Wie viele Kompetenzen müssen nationale Parlamente und Regierungen an europäische Kontrollinstanzen abgeben? Und wie kann man das alles demokratisch legitimieren? Ziel des Seminars ist es, die Wurzeln der fortdauernden Probleme zu verstehen und auf dieser Grundlage bessere von schlechteren Lösungsansätzen zu unterscheiden. Gleichzeitig soll das Seminar das Bewusstsein dafür stärken, dass jede vermeintlich wirtschaftliche Lösung der gegenwärtigen Probleme immer eine politische Entscheidung voraussetzt: welche Art von Europa wollen wir, und wie setzen wir unsere Konzeptionen um? close
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