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SoSe 15: China in der modernen japanischen Literatur - Sinophilien und Sinophobien in Selbst- und Fremdbildern

Niels Hendrik Bader

Kommentar

Kein Land übte einen größeren Einfluss auf die Kultur Japans aus als das klassische China. Viele der unzähligen, vom fernen Vorbild übernommenen kulturellen Eigenheiten wurden später sogar als genuin japanisch betrachtet. Gleichzeitig diente das imaginierte China auch als Projektionsfläche, vor dem japanische Selbstbilder formuliert wurden. Erst die Bestrebungen Japans seit der Meiji-Zeit (1868-1912), sich der westlichen Moderne zu öffnen, führten zu einem teilweisen Bruch mit dieser Tradition. Konflikte und Krisen scheinen kennzeichnend für die Beziehung der beiden Länder in den letzten 120 Jahren. Leicht übersehen werden neben sinophoben Abgrenzungen aber die vielen Versuche sinophiler Annäherungen. Auch die in dieser Zeit in der japanischen Literatur entworfenen Chinabilder zeigen eine Aufspaltung und Ausdifferenzierung mehrerer heterogener Entwürfe. Das moderne Japan misst sich an zwei gänzlich unterschiedlichen Konstruktionen Chinas: Einerseits dem klassischen China, dessen kulturelle und geistige Traditionen, Schriftsprache und Literatur bis heute in Japan nachwirken, und andererseits dem zeitgenössischen China, dessen Bedeutung für das moderne Japan sehr kontrovers diskutiert wird. Dabei werden einerseits Gemeinsamkeiten betont, andererseits Gegensätze herausgearbeitet. So tragen Chinabilder nach wie vor zu Konstruktion japanischer Selbst- und Fremdbilder bei. Ziel des Seminars ist es, verschiedene Chinabilder, wie sie in der japanischen Literatur seit der Meiji-Zeit auftauchen, anhand ausgewählter Texte zu analysieren und ihre Bedeutung für Entwicklung und Wandel der modernen japanischen Literatur- und Geistesgeschichte kritisch zu beleuchten. Dabei folgen wir Ansätzen der Imagologie, bzw. der interkulturellen Hermeneutik, die ethnische, kulturelle oder nationale, oft stereotype Bilder erforscht, ohne selbst Typisierungen zu proklamieren. Somit stehen auch in unserem Seminar nicht Vergleiche mit einem vermeintlich realen China (oder Japan) im Vordergrund, sondern Untersuchungen von sich wandelnden Konstruktionen japanischer Fremdbilder sowie darin explizit oder implizit angelegter Selbstbilder. So erscheint Japan mal als Teil einer postulierten kulturellen Sinosphäre, vielleicht gar als kultureller oder politischer Erbe des klassischen China, mal als distanzierter Beobachter eines Asiens auf dem Festland, zu dem es sich selbst nicht (mehr) zählt. Durch literarische Beschreibungen von räumlichen und zeitlichen Entfernungen und Annäherungen, von kulturell, geistig oder sozial Fremdem und Vertrautem wurden verschiedene Selbstidentitäten Japans konstruiert oder bestätigt. Auf diese Weise konnten japanische Schriftsteller immer wieder aufs Neue Eigenes im Anderen, aber auch Anderes im Eigenen entdecken oder verwerfen. Schließen

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