16430
Hauptseminar
SoSe 21: Rhythmus – ein Grundbegriff der Künste?
Boris Roman Gibhardt
Kommentar
Rhythmus ist ein in der Literaturwissenschaft und Literaturkritik fast ebenso häufig anzutreffender Begriff wie Stil oder auch Form. Handelt es sich also um einen Grundbegriff? Dies ist nach wie vor umstritten: Bis heute hat sich kein Konsens darüber eingestellt, was unter Rhythmus zu verstehen sei. Hierzu nur ein Beispiel: Wenn wir gemeinhin vom Rhythmus eines literarischen Textes sprechen, meinen wir offenbar nicht nur rein formale Eigenschaften, wie etwa das Versmetrum gebundener Sprache in der Lyrik, sondern auch den begrifflich schwerer zu fassenden Bereich ästhetischer, in diesem Fall eben rhythmischer Erfahrung. Die literaturwissenschaftliche Rede von Rhythmen bewegt sich also auf einem relativ schmalen Grat zwischen der Artikulation eines Text- und Gliederungselements auf der einen und der eines Rezeptionsmodus auf der anderen Seite.
Freilich gehören produktions- und rezeptionsästhetische Aspekte immer zusammen. Dennoch, und vielleicht umso vehementer, stellt sich die Frage nach der adäquaten Beschreibung und Begriffssprache: Anders als der viel diskutierte (das Spirituelle streifende?) Begriff Präsenz, suggeriert der Terminus Rhythmus, dass das Phänomen in der Textstruktur lokalisierbar sein müsse, wie ein Metrum im Vers. Aber geht rhythmische Erfahrung nicht eben doch weit über eine solche Semiotik hinaus?
An diesem ‚Problem’ lässt sich nicht nur die Wissenschaftsgeschichte der literaturwissenschaftlichen Hermeneutik sehr gut aufzeigen, etwa am Beispiel der ersten frühen Konjunktur des Rhythmusbegriffs in der Einfühlungsbewegung und Allgemeinen Kunstwissenschaft um 1900. Vielmehr ergeben sich auch Potenziale – zum Beispiel Parallelen zu anderen Künsten, auch und gerade der bildenden Kunst: Zur Beschreibung (nicht bewegter) Bilder wurde in der Bildwissenschaft in jüngerer Zeit wieder öfters die Rede von Rhythmen herangezogen. Steht ein ähnliches Revival auch für die Literaturwissenschaft bevor? Was heißt dies für verwandte ‚Großbegriffe’ wie ‚Form’ und ‚Stil’?
Das Seminar diskutiert das Spannungsfeld der historischen wie gegenwärtigen Rede von Rhythmen an einem Korpus literarisch-poetischer sowie philosophisch-programmatischer Texte von den Vorsokratikern über die Goethezeit und Romantik bis zur modernen Lyrik. Auch Praktiken des Rhythmus werden thematisiert, namentlich mit einem Blick auf Ostasien. Außerdem werden Positionen der Literaturtheorie des 20. Jahrhunderts (Gilles Deleuze; Henri Maldiney) sowie neue Ansätze der Forschung zur Sprache kommen, darunter etwa der jüngst unterbreitete Vorschlag, Rhythmen als Formen der ‚Affordanz’ zu begreifen.
Schließen
Freilich gehören produktions- und rezeptionsästhetische Aspekte immer zusammen. Dennoch, und vielleicht umso vehementer, stellt sich die Frage nach der adäquaten Beschreibung und Begriffssprache: Anders als der viel diskutierte (das Spirituelle streifende?) Begriff Präsenz, suggeriert der Terminus Rhythmus, dass das Phänomen in der Textstruktur lokalisierbar sein müsse, wie ein Metrum im Vers. Aber geht rhythmische Erfahrung nicht eben doch weit über eine solche Semiotik hinaus?
An diesem ‚Problem’ lässt sich nicht nur die Wissenschaftsgeschichte der literaturwissenschaftlichen Hermeneutik sehr gut aufzeigen, etwa am Beispiel der ersten frühen Konjunktur des Rhythmusbegriffs in der Einfühlungsbewegung und Allgemeinen Kunstwissenschaft um 1900. Vielmehr ergeben sich auch Potenziale – zum Beispiel Parallelen zu anderen Künsten, auch und gerade der bildenden Kunst: Zur Beschreibung (nicht bewegter) Bilder wurde in der Bildwissenschaft in jüngerer Zeit wieder öfters die Rede von Rhythmen herangezogen. Steht ein ähnliches Revival auch für die Literaturwissenschaft bevor? Was heißt dies für verwandte ‚Großbegriffe’ wie ‚Form’ und ‚Stil’?
Das Seminar diskutiert das Spannungsfeld der historischen wie gegenwärtigen Rede von Rhythmen an einem Korpus literarisch-poetischer sowie philosophisch-programmatischer Texte von den Vorsokratikern über die Goethezeit und Romantik bis zur modernen Lyrik. Auch Praktiken des Rhythmus werden thematisiert, namentlich mit einem Blick auf Ostasien. Außerdem werden Positionen der Literaturtheorie des 20. Jahrhunderts (Gilles Deleuze; Henri Maldiney) sowie neue Ansätze der Forschung zur Sprache kommen, darunter etwa der jüngst unterbreitete Vorschlag, Rhythmen als Formen der ‚Affordanz’ zu begreifen.
Schließen
Literaturhinweise
Literatur zur Einführung:
Gibhardt, Boris Roman u. Johannes Grave: Lemma ‚Rhythmus‘, in: Ästhetische Eigenzeiten. Ein Wörterbuch, hg. v. Michael Gamper, Helmut Hühn u. Steffen Richter, Hannover 2020, S. 214–323.
Seidel, Wilhelm: Lemma ‚Rhythmus‘, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 5: Postmoderne–Synästhesie, hg. v. Karlheinz Barck, Stuttgart 2003, S. 291–341.
Stegmaier, Werner: Lemma ‚Fließen’, in: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, hg. v. Ralf Konersmann, Darmstadt 2007, S. 102–121. Schließen
Gibhardt, Boris Roman u. Johannes Grave: Lemma ‚Rhythmus‘, in: Ästhetische Eigenzeiten. Ein Wörterbuch, hg. v. Michael Gamper, Helmut Hühn u. Steffen Richter, Hannover 2020, S. 214–323.
Seidel, Wilhelm: Lemma ‚Rhythmus‘, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 5: Postmoderne–Synästhesie, hg. v. Karlheinz Barck, Stuttgart 2003, S. 291–341.
Stegmaier, Werner: Lemma ‚Fließen’, in: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, hg. v. Ralf Konersmann, Darmstadt 2007, S. 102–121. Schließen
13 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Do, 15.04.2021 16:00 - 18:00
Do, 22.04.2021 16:00 - 18:00
Do, 29.04.2021 16:00 - 18:00
Do, 06.05.2021 16:00 - 18:00
Do, 20.05.2021 16:00 - 18:00
Do, 27.05.2021 16:00 - 18:00
Do, 03.06.2021 16:00 - 18:00
Do, 10.06.2021 16:00 - 18:00
Do, 17.06.2021 16:00 - 18:00
Do, 24.06.2021 16:00 - 18:00
Do, 01.07.2021 16:00 - 18:00
Do, 08.07.2021 16:00 - 18:00
Do, 15.07.2021 16:00 - 18:00